Mit Wasserstoff über den Wasserweg

Binnenschiffe sind umweltfreundlich, aber das Schubboot „Elektra“ setzt noch höhere Maßstäbe. Es fährt dank Brennstoffzellen völlig emissionsfrei.

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Als auf der kleinen Schiffswerft Hermann Barthel in Derben an der Oberelbe ein Neubau vom Stapel, erregte er rein äußerlich keine Aufmerksamkeit. Die „Elektra“ hielt ihre revolutionieren Antriebstechnologie versteckt und könnte trotzdem die Binnenschifffahrt umkrempeln. Sie gilt als das erste emissionsfrei fahrende Schubschiff der Welt.

Auftraggeber und Projektpartner ist die Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft, kurz Behala, die mit der „Elektra“ künftig Güter zwischen Berlin und Hamburg transportieren möchte. Darunter könnten zum Beispiel schwere Generatoren sein, die dann im Hamburger Hafen mit Hilfe der HHLA-Schwimmkräne auf Großcontainerschiffe umgeladen werden. Der Wasserweg zwischen den beiden Metropolen ist knapp 400 Kilometer lang. Dafür wird der Schubverband je nach Ladung und Strömung vier bis sechs Tage brauchen.

Der Bau in Bildern

Am Bau der „Elektra“ sind eine Vielzahl von Zuliefern beteiligt, die gesamten Kosten für das wissenschaftlich begleitete Projekt belaufen sich auf rund 13 Millionen Euro.

Bereits seit November 2019 baut die Werft an der „Elektra“. Foto: Behala, TU Berlin
Stapellauf: Die „Elektra“ hat erstmals Wasser unter dem Kiel. Foto: Behala, TU Berlin
Stapellauf: Die „Elektra“ hat erstmals Wasser unter dem Kiel. Foto: Behala, TU Berlin
Künftig wird die „Elektra“ Leichter mit einem Ladungsgewicht von bis zu 1400 Tonnen von Berlin nach Hamburg und zurück bringen. Foto: Behala, TU Berlin
Auf dem Oberdeck der „Elektra“ werden die Wasserstoff-Druckflaschen für die Versorgung der Brennstoffzellen mitgeführt. Rendering: Behala, TU Berlin

Brennstoffzellen und 20 Tonnen Akkus an Bord

Mit dem Stapellauf ist ein wichtiger Meilenstein geschafft: Der Schiffsrumpf samt Aufbau ist fertig, das Steuerhaus aufgesetzt. Innen wurde die Klimatechnik mit den zugehörigen Wärmepumpen installiert und die Brennstoffzellen eingebaut. Neben den Brennstoffzellen liegt ein Batterieraum, der bereits mit rund 250 Stromspeicher-Modulen mit einem Gesamtgewicht von über 20 Tonnen bestückt ist.

„Die Arbeiten erfolgten größtenteils auf engstem Raum und unter schwierigen Bedingungen“, heißt es von der Werft. Als größte Herausforderungen galten die Verkabelung der elektrischen Komponenten, der Energieerzeuger und Verbraucher sowie auch der Überwachungs- und Steuerungstechnik. Von dünnen Datenleitungen bis hin zu armdicken Stromleitungen wurden über das ganze Schiff fast zwei Kilometer Kabel verlegt. Schon bald sollen die Inbetriebnahmen der einzelnen Anlagen und des gesamten Energiesystems auf der Werft starten.

Viele Projektpartner schlossen sich zusammen

Der Projektträger Jülich (PTJ) und die Nationalen Organisation für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) betreuen und koordinieren den Bau der „Elektra“. Entwickelt wurde das Schubboot vom Fachgebiet Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme an der Technischen Universität Berlin. Mit an Bord sind neben der Bauwerft Hermann Barthel und der Behala unter anderem die Firmen Ballard Power Systems (für die Brennstoffzellen), Anleg (Wasserstofftanks), Schiffselektronik Rostock und EST-Floattech (Akkumulatoren). Bei einem Gesamtprojektvolumen von ca. 13 Millionen Euro wird das Projekt durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) mit rund acht Millionen Euro gefördert.

Von 2022 an soll die Behala die „Elektra“ schrittweise erprobt und in Fahrt gebracht werden. Spätestens Ende 2024 wird dann der Linienverkehr auf der Elbe aufgenommen. Das innovative Antriebskonzept stößt in der maritimen Branche inzwischen offenbar auf Interesse. In Hamburg sollen in naher Zukunft drei Hafenfähren-Neubauten ebenfalls mit Brennstoffzellen nach dem „Elektra“-Prinzip ausgerüstet werden. Die Ausschreibung läuft.

So funktioniert die Technik an Bord der „Elektra“

Um lokal völlig emissionsfrei unterwegs zu sein, erhält die Elektra eine Kombination aus Akku- und Wasserstoffantrieb. Die daraus gewonnene elektrische Energie speist zwei Ruderpropeller des deutschen Herstellers Schottel. Ähnlich einem Außenbordmotor sind sie beweglich am Heck der „Elektra“ angebracht und sorgen hier nicht nur für Schub, sondern auch für eine optimale Manövrierfähigkeit. Jeder Antrieb hat eine Leistung von 200 Kilowatt (das entspricht einer Gesamtleistung von umgerechnet rund 540 PS). Auch das Steuer- und Regelsystem liefert Schottel.

Der Wasserstoff für die Brennstoffzellen wird in sechs Bündeln mit jeweils 20 Flaschen gebunkert, die unter einem Druck von 500 bar stehen. Insgesamt hat die „Elektra“ 750 Kilogramm an Wasserstoff dabei. Daraus entsteht in den Brennstoffzellen in einer chemischen Reaktion elektrische Energie.

Doch das Gewicht des Wasserstoffs ist nichts im Vergleich zu den Akkus an Bord: Sie wiegen über 20 Tonnen. Sie allein sorgen für eine Reichweite von immerhin 65 Kilometern bei einer bewegten Schublast von 1400 Tonnen Ladung und einer Einsatzdauer von acht Stunden. Im Hybrideinsatz, also bei einer Kombination von Akkus und der Brennstoffzellen, steigt die Reichweite auf 130 Kilometer bei einer Betriebszeit von 16 Stunden. Unter anderem im Hafen von Lüneburg, am Elbe-Seitenkanal, entsteht eine Bunkerstation, um sowohl die Akkus als auch die Wasserstoffvorräte wieder aufzufüllen.

„Es geht doch!“

Drei Fragen an Prof. Dr.-Ing. Gerd Holbach, Leiter des Fachgebiets „Entwurf Maritimer Systeme“ am Institut für Schiffs- und Meerestechnik der Technischen Universität Berlin, zur neuen „Elektra“.

HHLA Online-Magazin: Was ist das eigentlich Besondere an der „Elektra“?
Prof. Gerd Holbach: Das Besondere an der „Elektra“ ist natürlich das neue Energie-System. Die „Elektra“ ist lediglich der Träger dieses Systems. Die Binnenschifffahrt ist bislang durchgehend nicht CO2-neutral. Gerade für Ballungsräume macht das Energie-System Sinn, weil es emissionsfrei ist und Lärmschutz garantiert. Die Idee, Wasserstoff als Treibmittel zu nutzen, ist übrigens schon in den 1960er Jahren entwickelt worden. Im Güterverkehr hingegen ist „Elektra“ ein Leuchtturm-Projekt. Man wollte zeigen: Es geht doch!

Wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit aus?
Die Investitionskosten liegen deutlich über vergleichbaren konventionellen Schubbooten. Ziel ist aber, eine Wirtschaftlichkeit, also in den Betriebskosten, wie in der Diesel-Antriebstechnik zu erreichen. Aber wir können bei dieser Prüfung auch andere Aspekte in die Waagschale werfen: Denkbar wäre nämlich ein Zusatznutzen, auf den man nicht so ohne weiteres kommt. Die „Elektra“ könnte als Stromlieferant für einen Stadtteil fungieren, quasi als mobiles Kraftwerk – Stichwort Sektorenkopplung. Das umfasst Wärme, Energie und Mobilität.

Wann ließe sich eine spürbare Veränderung in der Binnenschifffahrt erreichen?
In die Zukunft gesehen: Technologisch gesehen wird man in fünf Jahren ausgereifte Lösungen präsentieren können. In zehn Jahren wird sich das auf Europas Binnenschifffahrtswegen bemerkbar machen. Die Welt wird insgesamt hybrider, als wir uns das heute vorstellen können.

Aktualisiert: Juni 2022